Wenn es nach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht, wird es weder ein Rx-Versandhandelsverbot noch die von der ABDA als Äquivalent geforderte Gleichpreisigkeit geben. Vorstellungen, für die Spahn in der ABDA-Mitgliederversammlung warb. „e-faktum“ sprach mit dem Vorsitzenden des Hamburger Apothekervereins und des NARZ-Vorstands, Dr. Jörn Graue, über den Auftritt des Ministers.

Doch zuvor eine Rückblende: Noch im Oktober, beim Deutschen Apothekertag 2018 in München, befürwortete Spahn die Gleichpreisigkeit im Rx-Bereich und schloss ein Rx-Versandhandelsverbot als Ultima Ratio nicht gänzlich aus. Jetzt die Kehrtwende: Die Gleichpreisigkeit (sprich: die deutsche Arzneimittelpreisverordnung) will er aufgeben und Rabatte für ausländische Versandhändler per Gesetz durch einen „Bonideckel“ (2,50 Euro pro Packung) legitimieren. Und: Künftig sollen ausländische Anbieter ihren Zugang zum deutschen Apothekenmarkt (von bisher rund zwei) auf bis zu fünf Prozent Marktvolumen ausweiten dürfen.

Aber zurück zur ABDA-Mitgliederversammlung und dem Gespräch mit Dr. Jörn Graue. „Mene mene tekel u-pharsin“ lautete dessen Kommentar zu den Ministerworten. Das von Graue zitierte Menetekelgilt gemeinhin als eindringliche Warnung vor drohendem Unheil. Und genau so will er es verstanden wissen – nämlich als Warnung davor, Spahns „Danaergeschenk“ in Gestalt eines Bonideckels für ausländische Versandapotheken zu akzeptieren.

Werde das gesetzlich festgeschrieben, könnte dies das Aus für die Arzneimittelpreisverordnung bedeuten. Graue: „Diesen Vorschlag hat Spahn, wie er in der Mitgliederversammlung konzedierte, nicht juristisch abklären lassen. Das ist keinesfalls rechtssicher. Sollte auch nur ein Apotheker in Deutschland dagegen klagen, droht am Ende die Arzneimittelpreisverordnung zu fallen.“

Hinzu komme, wie Graue ergänzte, dass eine solche Festschreibung in einem Gesetz es unmöglich mache, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit dem Ziel anzurufen, den früheren Rechtszustand wiederherzustellen. Auch von daher sei es angeraten, zumindest „diesen Teil des Angebots von Spahn abzulehnen“.

Der Vorsitzende erinnerte daran, dass der EuGH vor gut zwei Jahren die deutsche Arzneimittelpreisverordnung explizit für Anbieter aus EU-Staaten außer Kraft gesetzt habe. Die Bundesregierung nehme dies seither in Kauf – und somit gleichzeitig die damit einhergehende Inländerdiskriminierung. Dadurch füge sie dem Standort Deutschland nicht nur wirtschaftlichen Schaden zu, sondern zeige sich ebenso wenig am Wohl von Patienten wie Verbrauchern interessiert.

Dass nicht alles, was der Gesundheitsminister in der Mitgliederversammlung vortrug, abzulehnen sei, räumte Graue durchaus ein. Zu den akzeptableren Intentionen Spahns zählte er, dass dieser das „Makeln“ von eRezepten verbieten, das Zuweisungsverbot bekräftigen und den Apotheken (gegen Mehrleistung) ein zusätzliches Honorarvolumen von 375 Millionen Euro zugestehen will. Allerdings handele es sich hier (Stichwort: Finanzierung) um reine Absichtserklärungen, die (zumindest noch) nicht valide abgesichert seien.

Fazit des Vorsitzenden: Niemand soll sich von den Schalmeienklängen einfangen lassen.


Jürgen R. Draxler