KASSENNACHSCHAU
Steuerberater rät zu Gelassenheit – und Widerspruch
Unangekündigte Besuche können einen erfreuen – oder auch nicht. Und das wohl besonders nicht, wenn es ein Betriebsprüfer ist, der in der Apotheke steht. Seit dem 1. Januar dieses Jahres darf das Finanzamt – neben den bekannten Lohnsteuer- oder Umsatzsteuernachschauen – auch unangemeldet zur Kassennachschau anrücken. Die Neuregelung wurde mit der Novelle der Abgabenordnung (AO, § 146 b), eingeführt. Ob da etwas und, wenn ja, was da auf die Apotheker zukommt, darüber sprach e-faktum mit einem Fachmann: dem Hamburger Dr. Jörg G. Heinsohn, Steuer- und Unternehmensberater sowie ausgewiesener Experte im Apothekenmarkt.
Dass der Finanzverwaltung mit dieser Novellierung ein zusätzliches „hartes“ Instrument an die Hand gegeben wurde, sieht auch Heinsohn so. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass, abgesehen von den personellen Ressourcen, dabei rechtlich vieles ungeklärt sei. So habe man die Kassennachschau zwar in der AO geregelt, bislang jedoch nicht in der Betriebsprüfungsordnung verankert (§ 1 Abs. 2 BpO. Die wiederum regele vieles im Detail – so zum Beispiel für die Außenprüfung, Umsatzsteuer- oder Lohnsteuernachschau. Offen sei beispielsweise, wie der Steuerberater weiter erläuterte, was der Prüfer mache, „wenn der Inhaber weder vor Ort ist noch kurzfristig kommen kann“.
Denn, das betonte Heinsohn ausdrücklich: „Ansprechpartner für eine Kassennachschau ist einzig der Apothekeninhaber.“ Das gelte ebenfalls für Filialapotheken. Hier ergänzte er: „Zwar kann man dem Filialleiter eine solche Befugnis geben, aber davon würde ich abraten.“ In einem solchen Fall müsse der Prüfer wieder gehen.
Heinsohn sprach auch eine bis dato weniger beachtete Regelung der Novelle an, die er „im höchsten Maße irritierend“ findet. In § 146 b Abs. 1 Satz 4 AO heiße es, dass [zur Durchsetzung der Kassennachschau] das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung [Art. 13 Grundgesetz] wird insoweit eingeschränkt. Über die Zulässigkeit dieses Eingriffs in ein verbrieftes Grundrecht dürfte, so seine Einschätzung, „sicher noch vor den Gerichten gestritten werden“.
Neben diesen juristischen Aspekten ging Heinsohn auf die Konsequenzen für den Apothekenbetrieb ein: „Apothekeninhaber können die Neuerungen der AO insbesondere dann ruhig und gelassen sehen, wenn sie ihre Kasse bisher schon nachvollziehbar geführt haben.“ Dass einzelne Apotheken mit der Kassenführung ein Problem hätten, liege seiner Beobachtung zufolge „in aller Regel am EDV-Handling“. Empfehlung: „Wenn die entsprechende Mustereinstellungen des jeweiligen Softwarehauses übernommen werden und eine tägliche Zählung des Kassenbestandes erfolgt und dokumentiert wird, gehören derartige Probleme der Vergangenheit an.“ Die Kassensturzfähigkeit ist dann gegeben.
Dass der Alltag dennoch die ein oder andere Tücke bereithält, darüber wusste Heinsohn ebenfalls zu berichten: „Was neben Rechnungskäufen immer wieder zu – vermeintlichen – Kassendifferenzen führt, ist die Einlösung von Gutscheinen.“ Diese seien wie Barmittel zu behandeln. Am Ende laufe es darauf hinaus, wie der Steuerberater weiter ausführte, „dass der Prozess der verschiedenen Geschäftsvorfälle an der [Kassen-] EDV beherrscht werden muss“.
Heinsohn machte am Beispiel eines Schreibens der Landesfinanzbehörden aus dem Jahr 2017 deutlich, dass aber auch die Vorstellungen der Steuerverwaltung zum Stolperstein werden können. Darin heiße es: Wer EC-Karten als Einnahme erfasse, verstoße gegen die Grundsätze der Aufzeichnungspflicht elektronischer Vorgänge nach der GoBD. Sein Standpunkt dazu: „Ich sehe darin keinen formellen Verstoß, da der Vorgang beim Tagesabschluss letztlich als Ausgabe gebucht wird, so dass der Barbestand stimmt. Man kann immer, selbst wenn man den EC-Vorgang nicht als Ausgabe erfasst, die sich ergebende Differenz nachweisen. Und hier geht es einzig um die Nachweispflicht.“
Das pragmatische Fazit des Steuerexperten: „Angesichts der Tatsache, dass vieles ungeklärt, beziehungsweise überzogen ist, empfehle ich, sich einen Zählautomaten zuzulegen.“ Gleichzeitig warnte Heinsohn vor der alten Gewohnheit, Münzgeld als Bestand – ohne Zählung – in der Kasse zu belassen. Das werde bei einer Prüfung als Sachmangel angesehen und führe zu einer Hinzuschätzung, bei der der betreffenden Apotheke bis zu zehn Prozent mehr Umsatz – plus fällige Umsatzsteuer – unterstellt würden.
Weitere Ratschläge, die Heinsohn den Apothekeninhabern gab:
- „Bereiten Sie für eine denkbare Kassennachschau eine schriftliche Erklärung vor. Stellen Sie darin fest, dass Sie die Kassennachschau nur dulden, um Unruhe in der Offizin zu vermeiden, also mit Rücksicht auf die Kundschaft, obwohl Sie die Nachschau für rechtswidrig halten. Wenn der Finanzbeamte das nicht unterzeichnet, dann bitten Sie eine Mitarbeiterin, diese Erklärung als Zeugin für die Belehrung des Finanzbeamten zu unterschreiben.“
- „Informieren Sie sofort Ihren Steuerberater über die Kassennachschau, und bitten Sie ihn, wenn machbar, dazu. Der Finanzbeamte muss zwar nicht auf den Steuerberater warten, aber wenn dieser vor Ort erscheint, kommt mehr Ruhe in die Angelegenheit. Dann werden die Prüfer vorsichtig.“
- „Halten Sie vorsorglich einen USB-Stick für den Prüfer bereit, auf dem die Verfahrensdokumentation des Herstellers [der Warenwirtschaft] und die Kassenanweisung der Apotheke abgespeichert sind.“
Der Widerspruch gegen die Kassennachschau unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verfahrens sei, wie Heinsohn erklärte, auch für eine denkbare weitere Entwicklung gegebenenfalls von Bedeutung. Denn wenn der Prüfer meine, Fehler gefunden zu haben, könne er – direkt und ohne Prüfungsanordnung – zu einer Außenprüfung übergehen. Auf den Übergang zur Außenprüfung wird schriftlich hingewiesen.
Und noch etwas ist wichtig: Nach Beginn der Kassennachschau ist eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 AO für den Bereich, auf den die Kassennachschau sich bezieht nicht mehr möglich.
Das Interview führte Jürgen R. Draxler
Dr. Jörg Heinsohn
Foto: Draxler