Wenn die Idee nicht so genial wäre, dann müsste man sie glatt erfinden. Zwei Apotheker, Ann Katrin Kossendey-Koch aus dem oldenburgischen Wiefelstede und Jan Reuter aus Walldürn im Odenwald, stellen mit ihrer Onlineinitiative „Daumen hoch für meine Apotheke vor Ort“ selbst millionenschwere Werbekampagnen in den Schatten. Für das efaktum Grund genug, mit beiden Pharmazeuten das Gespräch zu suchen.
Auslöser für die Initiative waren, so Kossendey-Koch, zwei Dinge: „Einerseits das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016, das die Arzneimittelversorgung auf die Distribution reduziert und somit jegliche pharmazeutische Leistung negiert. Andererseits war es die – damals – bevorstehende Bundestagswahl.“ Beide, Kossendey-Koch wie Reuter treibt die Sorge um, dass die Apotheken zwar zahlreiche wichtige Aufgaben innerhalb des Gesundheitswesens wahrnehmen, diese vielfältigen Leistungen aber im kollektiven Bewusstsein nur wenig verankert sind.
Die Apothekerin aus Wiefelstede erläutert: „Wir möchten die Kunden, die Endverbraucher erreichen. Sie sollen verstehen, dass sie eine exzellente Struktur vorfinden und ein Stück gesundheitlicher [Versorgungs-] Qualität verlieren, wenn sie aufs „falsche Pferd“ [sprich: Versandapotheken] setzen.“ Und ihr Kollege aus dem südlichen Odenwald ergänzt, dass sie mit ihrem Hashtag #DaumenhochfürmeineApothekevorOrt zugleich auch die eigene Kollegenschaft und Geschäftspartner der Apotheken ansprechen und zum Mitmachen motivieren wollen.
Seit über einem Jahr produzieren sie wöchentlich ein Video, stets zu apothekenrelevanten Themen. Da geht es beispielsweise um Fragen zur Grippeimpfung oder um Empfehlungen, was man bei einem Reizhusten nehmen oder wie man Schlafstörungen behandeln sollte. Kossendey-Koch und Reuter haben bereits über 150 Videos „im Kasten“. Jedes ist auf die Interessen der Apothekenkunden zugeschnitten. Sympathisch dabei: Sie legen erkennbar Wert darauf, nicht zu belehren, sondern zu informieren.
Und da sich die Kundschaft (ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen bundesweit) in den unterschiedlichsten Medien tummelt, ist auch das Apothekerduo „auf allen Kanälen“ präsent – bei Facebook, Instagram, Twitter und Co.. Mit dieser Vielfalt erreichen Kossendey-Koch und Reuter einen großen Kreis derjenigen, die internetaffin sind. Bemerkenswert: Die Zahl der Follower, die die beiden Aktivisten in den sozialen Netzwerken mittlerweile hinter sich scharen, liegt bei über zehntausend. Tendenz: weiter steigend.
Auf YouTube sind die zwei Pharmazeuten (Ann Katrin Kossendey-Koch | Jan Reuter) inzwischen mit einer umfassenden Bibliothek vertreten. Was sie bislang produziert haben, ist nicht nur kreativ und ansprechend. Sie bewegen sich längst auf einem Niveau, das sich mit professionellen Angeboten messen kann. Chapeau! Dies auch deswegen, weil sie ihr Know-how – mittels kostenfreier Webinare – an die Kollegen weitergeben.
Auffällig ist jedoch noch etwas anderes: Wenngleich Kossendey-Koch und Reuter „klare Kante“ in puncto Präsenzapotheke versus Versandapotheke zeigen, vermitteln sie ihren Standpunkt durchaus smart. Das heißt: Wer den internetbasierten Versandhandel im Grundsatz vielleicht nicht verkehrt findet, ihn möglicherweise sogar schon genutzt hat, wird nicht vor den Kopf gestoßen. Er wird aber – ohne erhobenen Zeigefinger – über die Vorteile informiert, die die Apotheke vor Ort den Bürgern bietet. Auch das ist sicher ein Teil des Erfolgsrezepts.
Apropos Erfolgsrezept: Beide, Kossendey-Koch wie Reuter, machen kein Geheimnis daraus, dass sie sich auch über den Erfolg und die Anerkennung, die sie von Kollegen erfahren, freuen. Letzteres gilt gleichermaßen, wie die 43-jährige Pharmazeutin ausdrücklich anmerkt, für die verfasste Apothekerschaft ihres Heimatlandes Niedersachsen. Kammerpräsidentin Magdalene Linz „ist aktiv, fortschrittlich, hört zu und unterstützt uns“. Was Kossendey-Koch damit unausgesprochen sagt: Es wäre schön, wenn noch mehr Vertreter der Apothekerschaft so denken und handeln würden.
Dass die PR-Initiative des Gespanns Kossendey-Koch und Reuter den Apotheken weit mehr als „nur“ einen Imagegewinn bringt, wird eher nebenbei deutlich. Es gibt professionelle Kampagnen im Land, die (keineswegs schlecht gemacht) zum Teil Millionen kosten. Geld, das der Berufsstand – direkt oder indirekt eingesammelt – aufbringen muss. Selbst zusammengenommen haben diese Kampagnen nicht die Reichweite, die das Apothekerduo erzielt – und das mit Herzblut statt vieler Euros.
Jürgen R. Draxler