Es spricht viel dafür, dass sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Az.: I ZR 163/15 – „Freunde werben Freunde“) alsbald ein zweites Mal mit der Frage beschäftigen muss, ob die Preisbindung für ausländische Versandapotheken in Deutschland mit der Warenverkehrsfreiheit vereinbar ist. Davon geht nicht zuletzt Professor Dr. Elmar Mand, Gesundheitsrechtsexperte an der Universität Marburg, aus. Eine Einschätzung, die – wenn man die schriftliche Begründung des BGH-Urteils liest – berechtigt ist.
Zunächst zur Vorgeschichte: DocMorris hatte deutschen Kunden zehn Euro und Rabatte auf OTC-Arzneimittel versprochen, wenn sie Bekannte dazu bewegen, ein Rezept einzuschicken. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln verbot in der Vorinstanz die Werbung mit der Zehneurogutschrift, erlaubte jedoch die Rabattwerbung für OTC-Arzneimittel. Die Causa landete in Karlsruhe.
Die Bundesrichter wiesen den Fall aus prozessualen Gründen am 24. November 2016 an das OLG Köln zurück. Ihre erst dieser Tage vom BGH veröffentlichte schriftliche Urteilsbegründung hat es allerdings in sich. Am 19. Oktober 2016, vier Wochen zuvor, hatte eine kleine Kammer des EuGH (aufgrund einer Vorlage des OLG Düsseldorf) ihre Entscheidung zur Rx-Preisbindung im grenzüberschreitenden Versandhandel verkündet. Dieses Luxemburger Urteil kritisiert Karlsruhe in seiner Begründung in bemerkenswert deutlicher Form.
Die BGH-Richter gehen zunächst auf die frühere deutsche Rechtsprechung ein, wonach auch ausländische Versandapotheken an das deutsche Preisrecht gebunden sind. Dann macht der Senat dezidiert deutlich, dass seiner Auffassung keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken entgegenstehen.
Der EuGH hatte zwar nicht entschieden, dass ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Rx-Arzneimittel zwingend unionsrechtswidrig ist. Er monierte aber, dass keine stichhaltigen Beweise vorgebracht wurden, die die mit einer solchen Preisregelung verbundene Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen.
Eine derartige Auferlegung der Beweislast im Rahmen eines Zivilverfahrens überfordert, so der BGH in seiner Urteilsbegründung, die Parteien und stellt darüber hinaus die alleinige Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten für die Organisation ihres Gesundheitswesens (Art. 168 Abs. 7 AEUV) in Frage. Und dann schreiben die Bundesrichter ihren Luxemburger Kollegen ins Stammbuch, dass „diese Zuständigkeit der Mitgliedstaaten von der Union nicht nur formal, sondern auch im Geist einer loyalen Zusammenarbeit zu beachten ist“.
Doch damit nicht genug. Die Karlsruher Richter halten dem EuGH vor, dass sein Urteil maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen (auch und gerade des vorlegenden OLG Düsseldorf) beruht. Unter dem Strich liefert der BGH dem EuGH für den weiteren Verfahrensgang einen Ansatz mit, der uns entgegenkommt – nämlich „eine amtliche Auskunft staatlicher Stellen, insbesondere der Bundesregierung, einzuholen“.
Hier sei daran erinnert, dass die Bundesregierung ungeachtet des EuGH-Urteils an der Kollisionsregel in § 78 Abs. 1 AMG festhält, wonach auch ausländische Apotheken, die hierzulande tätig werden, dem deutschen Preisrecht unterliegen. Dass Luxemburg auf die Kritik aus Karlsruhe reagiert, davon darf man ausgehen. Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass sich der EuGH nochmals – und dann vorurteilsfrei – mit dem Thema „Preisbindung“ befasst.
Ihr